Dr. Ulrike Hauser-Suida, 2000

 

Gedanken zu Hanischs Inszenierungen

Joe Hanisch entwirft albtraumhafte Szenarien von Angst und Gefährdung. Er zeigt den bedrohten Menschen, vernetzt, verkabelt, ausgesetzt im Labyrinth von Industrie- und Stadtlandschaften oder imaginären Architekturen. Der Mensch als Torso und Fragment steht im Mittelpunkt seiner Arbeiten. Fremdbestimmt, manipuliert, geklont hat er sein Selbstverständnis und seine Identität verloren: Frau und Mann sind erstarrt in schöner, leerer Pose, einzig das Kind verkörpert noch einen Rest von Ursprünglichkeit.

 

Der Zeitfaktor spielt für Joe Hanisch eine wichtige Rolle. Kritisch und spielerisch zugleich begibt er sich auf die Suche nach dem Ich in einer Welt alles beherrschender Technologien, in der die Grenzen zwischen natürlich und künstlich verschwimmen. Rückzug und Flucht in die eigene Innenwelt erscheinen als einziger Ausweg. Abkapselung und Abkehr werden daher zu wichtigen Themen (vgl. „Capsula I-IV“ 1999 oder „Abkehr I-IV“ 2000). Mit der Figur in einer transparenten Kapsel, die durch Schläuche an die Außenwelt gekoppelt ist, findet Joe Hanisch ein eindrucksvolles Bildzeichen und hält der Zeit ihren Spiegel vor. Die Kapsel ist Metapher für Refugium und Schutz aber auch Isolation und Ichbezogenheit. Nur hier rückt ein ganzheitliches Figurenbild in den Blickpunkt, das sich an der klassischen Aktfigur der Renaissance orientiert und das Ideal einer Zeit beschwört, in der Kunst und Wissenschaft noch eins waren.

 

Das Spiel auf vielen Ebenen, der Sprung in die Zeiten gelingt durch die Technik der zeichnerischen Collage. Trotz ständig wechselnder Perspektiven von Realität und Imagination, Außenwelt und Innenwelt bleibt in der Zusammenschau ein ästhetisches Ganzes gewahrt. Das Vielschichtige der Bildwelt spiegelt sich im Stil eigenwilliger Mischtechniken auf Karton, inspiriert von der Textilkunst der Batik. Fleckig sich auflösende, malerische Strukturen werden überlagert vom linearen Duktus detailrealistischer Zeichnung mit Kugelschreiber.

 

Der Arbeitsprozess von Aufdecken und Zudecken, Vermischen und Ausschleifen entspricht dem charakteristischen Formprinzip von Veränderbarkeit und Metamorphose in seinem Werk. Nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint, alles kann auch ganz anders sein und bleibt offen. Damit lässt Joe Hanisch trotz aller düsteren Prognosen immer noch Raum für Hoffnung.